In der bewegten Zeit der politischen Umwälzung, der Not, der Zerstörung, des Hungers, der Wohnungsnot und der Inflation trafen sich 24 sozialdemokratisch denkende Bürger aus Freienohl im Gasthof Humpert, um einen sozialdemokratischen Ortsverein zu gründen und damit ihre Sache öffentlich zu vertreten.
Aus den Unterlagen des Amtsarchivs Freienohl geht darüber zwar nichts hervor - die Grundrechte über die Vereinigungsfreiheit waren bereits in Kraft, polizeiliche Anmeldung war also nicht mehr erforderlich - aber es gab einen Zeitzeugen, den im Jahre 1974 verstorbenen Clemens Köster. Dieser später langjährige Ortsvereinsvorsitzende und Bürgermeister schreibt in seinem Vorwort zum Protokollbuch des Ortsvereins Freienohl:
"Nach Beendigung des 1. Weltkrieges und der Abdankung des deutschen Kaisers wurde in Deutschland die Republik ausgerufen. Somit war auch für die SPD der Zeitpunkt gekommen, die Arbeit innerhalb der Partei wieder aufzunehmen. Im Januar des Jahres 1919 wurde in einer gut besuchten Versammlung im Gasthof Humpert der Ortsverein der SPD gegründet. Mit einer Anzahl von 24 Mitgliedern unter dem neu ge-wählten 1. Vorsitzenden Karl Kerstholt, gingen diese mit Idealismus begeisterten Partei-freunde an die Arbeit. Es wurden vor allen Dingen die Vorarbeiten zur Nationalversammlung (19. Januar 1919) und die anschließenden Kommunalwahlen im Frühjahr des Jahres sofort in Angriff genommen."
Damit ist sicher und glaubwürdig bekundet, daß das oben angegebene Datum der Geburtsmonat des sozialdemokratischen Ortsvereins Freienohl ist, wenn auch keine schriftlichen Originalangaben darüber vorhanden sind. Das ist aber auch nicht verwunderlich, wenn man an die Jahre 1933 bis 1945 denkt.
Clemens Köster spricht in seinem Vorwort, dass für die SPD der Zeitpunkt gekommen war "die Arbeit innerhalb der Partei wieder aufzunehmen". Wiederaufnahme bedeutet jedoch auch, daß vor dem Geburtsjahr des SPD Ortsvereins Freienohl sozialdemokratische Arbeit geleistet worden sein mußte. Dies wird auch durch eine am 01. Mai 1957 vom Bezirksvor-stand der SPD - Bezirk Westliches Westfalen - ausgestellte Urkunde bescheinigt. Am 1.5.1957 erhält der Sozialdemokrat Ludwig Siepe (Großvater des Vereinswirtes Franz-Josef Reznizak) die Urkunde für "50jährige Mitgliedschaft in der SPD-Ortsgruppe Freienohl". Demnach muss der gebürtige Freienohler Ludwig Siepe, der auch im Jahre 1919 in die Freienohler Gemeindevertretung gewählt wurde, bereits im Jahre 1902 der SPD beigetreten sein. Leider ist es dem Ortsverein Freienohl noch nicht gelungen, hierzu weitere Dokumente aufzufinden.
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2. Die ersten Bewährungsproben
Nachdem die Friedensverhandlungen am 18.01.1919 in Versailles begannen, fanden am 19.01.1919 die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Erstmals durften auch Frauen wählen. Die SPD wurde bei dieser Wahl stärkste Partei. Der neu gegründete SPD Ortsverein hatte in Freienohl gute Vorarbeiten zur Wahl geleistet, denn 289 Freienohler, rund 30% der gültigen Stimmen, wurden für die SPD abgegeben. SPD-Kandidat für den heimischen Wahlkreis war der damalige Schulrat Baumeister aus Meschede.
Bei der Wahl zur preußischen Landesversammlung am 26.01.1919 holten die Freienohler Sozialdemokraten ein ähnlich gutes Ergebnis. Von 861 gültigen Stimmen entschieden sich 261 Wähler für die SPD. Kann man sich einen schöneren Start für einen jungen Ortsverein in einem konservativem Umfeld vorstellen?
Als nächste Bewährungsprobe standen auf Gemeindeebene die Wahlen zum Gemeinderat am 02.03.1919 an. Weil das Drei-Klassen-Wahlrecht aus der Monarchie nicht mehr in Kraft war, konnten sich auch hier erstmals in der jungen Demokratie politische Parteien und Gruppie-rungen um ein Mandat in der Gemeindevertretung bewerben. Um die zu vergebenden Manda-te bewarben sich in Freienohl neben der Zentrumspartei zwei Wählerlisten ohne dokumentier-ten politischen Aussagewert. Man kann aber unschwer erkennen, daß die sogenannte "Arbeiterliste" sozialdemokratisch orientiert war. So befanden sich u.a. auf dieser Liste der 1. SPD Vorsitzende Carl Kerstholt und der v.g. Sozialdemokrat Ludwig Siepe.
Nachfolgend nun die Wählerlisten und die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen vom 02.03.1919, 04.05.1924 und 17.11.1929. In den folgenden Jahren bahnte sich dann schon das Ende der Weimarer Republik an. Die Gemeinderatswahlen am 12.03.1933 standen schon unter den Einflüssen der Machtergreifung der Nazis.
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