Die SPD und die Gemeinderatswahlen in Zeiten des Nationalsozialismus
1. Die Reichstagswahlen am 05.03.1933
30.01.1933 Hitler wird vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt
Nach dem 30. Januar 1933 - Hitler wird Reichskanzler - brachen turbulente Zeiten an. Am 1. Februar 1933 löste Hitler den Reichstag auf, die Reichstagswahlen wurden für den 5. März terminiert. Bei den Wahlen am 5. März 1933 bekam die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) mit 43,9% und 288 Abgeordneten einen enormen Stimmenzuwachs. Der gesamte Reichstag hatte 647 Abgeordnete, davon 120 SPD, 92 Zentrumspartei, 52 Deutschnationale und 81 KPD, dazu ka-men noch einige kleine politische Gruppen.
In Freienohl gab es bei den Reichstagswahlen folgendes Ergebnis: Zentrum 462, SPD 405, KPD 138 und NSDAP 302 Stimmen.
2. Die Gemeinderatswahl am 12.03.1933
Die Kommunalwahl am 12. März 1933 stand bereits im Zeichen der am 28. Februar 1933 vom Reichspräsidenten Hindenburg erlassenen Notverordnung "Zum Schutze von Volk und Staat". Danach waren Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, der Eingriff in das Brief,- Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses sowie die Anordnung von Hausdurchsuchungen außerhalb der bis dahin geltenden gesetzlichen Grenzen möglich. Von 1133 gültigen Stimmen entfielen 530, also rund 47 % auf die Arbeiterliste. Ein großer Erfolg. Die Hälfte aller Ratssitze fiel ihr zu. Und das sechs Wochen nach der Machtübernahme!
Die Kommunistische Partei durfte sich in Freienohl zwar noch an der Wahl beteiligen, ein Funk-spruch ordnete jedoch am 21.03.1933 an, daß die für diese Partei gewählten Kandidaten sich nicht an den Sitzungen der Vertretungskörperschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänden beteiligen dürften, da die Vertreter der Kommunistischen Partei sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stünden.
Kandidatenliste I - Arbeiterliste (Sozialdemokratisch orientierte Liste)
Lfd. Nr. |
Name des Kandidaten |
Beruf |
1 |
Karl Kordel |
Maurer |
2 |
Wilhelm Pütz |
Waldarbeiter |
3 |
Klemens Köster |
Bauhilfsarbeiter |
4 |
Gustav Becker |
Zimmerer |
5 |
Ludwig Storm |
Putzer |
6 |
Klemens Staudinger |
Arbeiter |
7 |
Emil Zacharias |
Schreiner |
8 |
Hubert Heckmann |
Maurer |
9 |
Karl Kerstholt |
Arbeiter |
Kandidatenliste II - Zentrum und Haus- und Grundbesitzer
Lfd. Nr. |
Name des Kandidaten |
Beruf |
1 |
Wilhelm Korte |
Maurer |
2 |
August Noeke |
Landwirt |
3 |
Heinrich Walter |
Lehrer |
4 |
Hubert Becker |
Schreiner |
5 |
Klemens Feldmann |
Schreinermeister |
6 |
Otto Kloke |
Maschinist |
7 |
Franz Schulte |
Schuhmacher |
8 |
Dr. Josef Hatzig |
Zahnarzt |
9 |
Ludwig Pöttgen |
Maurer |
Kandidatenliste III - Gemeindewohl
Lfd. Nr. |
Name des Kandidaten |
Beruf |
1 |
Josef Kückenhoff1 |
Landwirt |
2 |
Franz Köster |
Kaufmann |
3 |
Georg Hömberg |
Holzarbeiter |
4 |
Constantin Bracht |
Kaufmann |
5 |
Albert Romberg |
Postmeister |
6 |
Anton Peters |
Werkmeister |
7 |
Josef Köster |
Gastwirt |
8 |
Emil Molitor |
Rottenführer a.D. |
Kandidatenliste IV - Kommunistische Partei Deutschlands
Lfd. Nr. |
Name des Kandidaten |
Beruf |
1 |
Karl Koßmann |
Waldarbeiter |
2 |
Heinrich Klauke |
Pflasterer |
3 |
Josef Pinke |
Arbeiter |
4 |
Richard Mester gt. Josef |
(Fundstelle: Amtsarchiv Freienohl, Fach 40)
Wahlergebnisse der Gemeinderatswahl am 12.03.1933
Kandidatenliste I - Arbeiterliste (SPD orientierte Liste): 530 Stimmen
Kandidatenliste II - Zentrum und Haus- und Grundbesitzer: 284 Stimmen
Kandidatenliste III - Gemeindewohl: 300 Stimmen
Kandidatenliste IV - Kommunistische Partei Deutschlands: 19 Stimmen
Nach der Reihenfolge der Benennungen auf den Wahlvorschlägen und den erhaltenen Stimmenanteilen wurden als Gemeindeverordnete gewählt:
Liste I - Arbeiterliste(SPD orientierte Liste) |
Liste II - Zentrum und Haus- und Grundbesitzer |
Liste III - Gemeindewohl |
1. Karl Kordel |
1. Wilhelm Korte |
1. Josef Kückenhoff |
2. Wilhelm Pütz |
2. August Noeke |
2. Franz Köster |
3. Klemens Köster |
4. Gustav Becker |
(Fundstelle: Amtsarchiv Freienohl, Fach 40)
3. Das Reichsermächtigungsgesetz und seine Folgen für Freienohl
Die Welle der Gleichschaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens erreichte mit dem Reichsermächtigungsgesetz vom 23.03.1933 seinen vorläufigen Höhepunkt. Die Reichstagsabgeordneten der KPD waren bereits nach den Wahlen am 05. März verhaftet worden. Eine große Anzahl sozialdemokratischer Abgeordneter konnte wegen Verhaftung an der Sitzung am 23.03. nicht mehr teilnehmen.
Die sozialdemokratische Reichtagsfraktion war die einzige Fraktion, die entschlossen und geschlossen gegen das Reichsermächtigungsgesetz stimmten und das obwohl von ihren 120 Abgeordneten schon die ersten im Gefängnis saßen und andere sich den drohenden Zugriff nur durch Flucht entziehen konnten. 94 Abgeordnete der SPD sagten bei der namentlichen Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz ihr mutiges, unvergeßliches "Nein". (siehe unten "Rede des SPD-Parteivorsitzenden Otto Wels am 23.03.1933 gegen das Ermächtigungsgesetz")
Die SPD bekam die ganze Wut der Nazis nach dem Reichsermächtigungsgesetz zu spüren. Bereits am 02.05.1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen, und am 22.06.1933 erfolgte das Verbot der SPD. Ein Runderlaß befahl schließlich am 08.07.1933, dass nach der Entfernung der sozialdemokratischen Mitglieder aus den Vertretungskörperschaften auch die Personen abzusetzen seien, die mit ihren Stimmen gewählt wurden. In der Praxis wurde diese Verfügung in Freienohl schon vorweggenommen. Zu einer an die Wahl anschließenden Abstimmung über einen Bürgermeister kam es nicht mehr, das Ergebnis wurde schon vorher annulliert. So wurde bereits einen Monat nach dem großen Erfolg der Arbeiterliste der Bauunternehmer Schwer durch den Landrat als kommissarischer Bürgermeister verpflichtet. Auch dem auf der Arbeiterliste gewählten Zimmerer Gustav Becker wurde verboten, sein Mandat wahrzunehmen.
Am 14.05.1933 forderte der Landrat vom Amtsvorsteher eine Liste zur Berufung von acht Gemeinderäten an. Die Liste erstellte der zuständige NSDAP-Ortsgruppenleiter Josef Kückenhoff.
Den letzten Rest der Selbstverwaltung beseitigte das Gemeindeverfassungsgesetz vom 15.12.1933. Die neuen Gemeinderäte sollten nicht mehr gewählt, sondern berufen, d.h. durch die NSDAP bestimmt werden. Ihre Funktion war nicht mehr beschließend, sondern nur noch beratend. Das war für die nächsten 12 Jahre das Ende freier demokratischer Wahlen für die Freienohler Bürger.
Auch in Freienohl begann eine Welle der Verhaftungen und des Terrors. Durch das Nazi-Regime verfolgt wurden in Freienohl besonders die Funktionsträger der Linksparteien. In den Jahren 1933/34 wurden folgende Einwohner verhaftet oder unter polizeiliche Aufsicht gestellt: August Bürger, Heinrich Klauke, Ewald Klauke, Emil Schwefer, Karl Kordel, Paul Kordel, Carl Kerstholt, Franz Holzapfel und Arnold Winterhoff.
Zu diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte hat Clemens Köster in seinem Vorwort zum Protokollbuch des SPD Ortsvereins Freienohl eine Anmerkung überliefert:
"Nach der Machtübernahme im Januar 1933 wurden unsere Vertreter aus sämtlichen Körperschaften sofort entlassen und unter Arrest gestellt. Von jetzt ab konnten unsere Parteifreunde kein Amt mehr ausüben und waren Freiwild der Diktatur. Am 01. Mai des Jahres 1933 wurde die letzte Maifeier unserer Partei hier in Freienohl im Beisein weniger frei gewerkschaftlich organisierter Kollegen und des Vorsitzenden des Bezirkes, Johann Heide und eines kleinen Kreises von Iserlohner Parteifreunden auf der Siedlung in Freienohl in aller Stille abgehalten. Seitdem ruhte unsere Arbeit innerhalb der Partei bis zum Zusammenbruch nach dem 2. Weltkrieg und der Beseitigung der Diktatur durch die Siegermächte."
4.Ein blutiger Zwischenfall
Aus Freienohl schildert die Parteigeschichte nach dem Protokoll des örtlichen Landjägereipostens von 1938, S. 409-411 für das Jahr 1932 einen blutigen Zwischenfall:
Am Sonntag, den 3. Juli 1932, in der Zeit von 21 bis 21.30 Uhr marschierten ungefähr 60 SA-Männer von den Ortschaften Arnsberg und Bestwig in Uniform und geschlossener Formation sin-gend durch Freienohl. Die Vorgenannten kamen zur angegebenen Zeit mit Lastkraftwagen aus Grevenbrück. Weil die SA-Männer aus Arnsberg angeblich am Abend vorher auf der Bahnhofstraße in Freienohl in ihren Kraftwagen von einer hohen Böschung aus mit Steinen beworfen und dabei einer von ihnen verletzt wurde, war die SA Bestwig zum Schutze durch Freienohl mitgekommen. Kurz vor der Stelle, wo sie am Abend vorher beworfen wurden stiegen sie aus und marschierten in geschlossener Formation weiter.
Bei dem Durchmarsch wurden sie dann von der hiesigen Zivilbevölkerung auf der Hauptstraße beschimpft und mit Stöcken bedroht sowie mit Steinen und dicken Holzstücken beworfen. Die SA-Männer marschierten daraufhin bis zum Hotel Bracht wieder zurück, machten dann kehrt und maschierten noch einmal den selben Weg. ... Der Führer der SA Bestwig war der Gastwirt Josef Müller aus Rödelstein bei Ramsbeck, Kreis Meschede, während die SA Arnsberg von dem Buchhalter Allendorf daselbst geführt wurde.
Zur Zeit des Marsches durch Freienohl waren auf der Hauptstraße etwa 450 bis 500 Menschen zusammengelaufen, so daß der Durchgangsverkehr vollständig gesperrt war. Von denjenigen Personen, die auf die durchziehenden SA-Männer geworfen hatten, konnte ich nur den 40jährigen Pflasterer Josef Flinkerbusch in Freienohl Nr. 242 und den 27jährigen Maurer Arnold Winterhoff (Freienohl), Grabenstraße 357, ermitteln. Flinkerbusch kam aus der Gastwirtschaft Humpert gelaufen, holte sich vom Holzhaufen des Bierverlegers Blessenohl dicke Holzstücke und warf dieselben in dieRreihen der Nationalsozialisten. Winterhoff warf vom Kirchhof aus mit Steinen nach den Natio-nalsozialisten. Die aufgeregte Menschenmenge wurde von den ortsansässigen Kommunisten Hans Ullmann, Josef Latzer, Josef Pinke, Ewald Klauke und Emil Schwefer mit den Worten: "Schlagt die Lumpen tot" und ähnliche Rufe laut zu Gewalttätigkeiten gegen die Nationalsozialisten aufgefordert. ... Als später Landjäger und Polizeibeamte aus Arnsberg und Oeventrop zur Hilfeleistung herangezogen waren, wurden in Freienohl die Straßen gesäubert und die Ruhe wieder hergestellt.
(Fundstelle: Das Hakenkreuz im Sauerland, Schieferbergbau-Museum Schmallenberg-Holthausen, 1988)
Organisierter Widerstand gegen das NS-Regime war bei den überschaubaren Verhältnissen der Gemeinde Freienohl so gut wie unmöglich. Als Heinrich Klauke nach seiner Entlassung versuchte, Flugblätter zu verteilen, wurde er sofort erneut verhaftet.
5. Rede des SPD-Parteivorsitzenden Otto Wels am 23.03.1933 gegen das Ermächtigungsgesetz
Im Namen der 94 SPD-Abgeordneten ergriff der Parteivorsitzende Otto Wels am 23.03.1933 gegen das Ermächtigungsgesetz das Wort. Keine Warnung hatte ihn davon abringen können, die gefährliche Aufgabe selbst zu übernehmen. Für einen kurzen Moment herrschte Totenstille im Haus - während von draußen die Chöre der SA herein dröhnten -, als Otto Wels das Rednerpult betrat. Der nationalsozialistischen Gewalt- und Terrorgesinnung setzte er für die SPD das Credo entgegen:
"Die Verfassung von Weimar ist keine sozialistische Verfassung. Aber wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechts, die in ihr festgelegt sind. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft."
Die Rede von Otto Wels zählt zu den großen geschichtlichen Dokumenten der Freiheit und der Menschlichkeit, des Bekennermuts und des Widerstandswillens.
6. Vorschlagsliste für die Berufung der Gemeinderäte im Jahre 1934
Aufgestellt am 14. Mai 1934 von dem Ortsgruppenleiter Josef Kückenhoff und dem Gemeindeschulze Heinrich Schwer
Lfd. Nr. |
Vor und Zuname |
Alter |
Stellung |
Beufszugehörigkeit |
Wie lange in der Partei? |
1 |
Josef Kückenhoff |
44 |
Politischer Ortsgruppenleiter |
Landwirt |
Sept. 1932 |
2 |
Fritz Sattler |
36 |
Sturmführer der S.A. |
Kaufmann |
01.05.1933 |
3 |
Albert Göckeler |
45 |
S.A.- Mann |
Maurer |
kein Mitglied |
4 |
Franz Köster |
47 |
Parteigenosse |
Maschinenhändler |
01.05.1933 |
5 |
Wilhelm Korte |
58 |
S.A.-Mann |
Maurer |
kein Mitglied |
6 |
Wilhelm Niesen |
52 |
Parteigenosse |
Amtsoberinspektor |
01.05.1933 |
7 |
August Noeke |
54 |
S.A.-Mann |
Bauer |
kein Mitglied |
8 |
Adam Reuke |
41 |
NSBO-Amtswalter |
Schlosser |
01.05.1933 |
Ferner ersatzweise zur Auswahl:
Lfd. Nr. |
Vor und Zuname |
Alter |
Stellung |
Beufszugehörigkeit |
Wie lange in der Partei? |
1 |
Wilhelm Aßmann |
33 |
S.A.-Mann |
Bauer |
Sept.1932 |
2 |
Richard Pöttgen |
49 |
S.A.-Mann |
Schmied |
Sept.1932 |
(Fundstelle: Amtsarchiv Freienohl, Fach 40)
7. Vorschlagsliste für die Berufung der Gemeinderäte im Jahre 1935
Aufgestellt am 16. Oktober 1935 von dem Ortsgruppenleiter der NSDAP Josef Kückenhoff und dem Bürgermeister Michel
Lfd. Nr. |
Vor-und Zuname |
Alter |
Stellung |
Berufsstellung |
1 |
August Noeke |
55 |
Ortsbauernführer |
Bauer |
2 |
Franz Köster |
48 |
Parteimitglied |
Kaufmann |
3 |
Fritz Terhalle |
49 |
Parteimitglied |
Apotheker |
4 |
Heinrich Schwer |
61 |
Parteimitglied |
Bauunternehmer |
5 |
Josef Kückenhoff |
46 |
Ortsgruppenleiter der NSDAP |
Bauer |
6 |
Adam Reuke |
42 |
Parteimitglied |
Fabrikarbeiter |
7 |
Emil Molitor sen. |
54 |
Parteimitglied |
Invalide |
8 |
Wilhelm Korte |
59 |
S.A.-Mann |
Maurer |
(Fundstelle: Amtsarchiv Freienohl, Fach 40)
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